Diskussionskultur versus Gefühlslage

Veröffentlicht am 15.04.2016 in Ortsverein

Pausengespräche in der Hauptversammlung Foto: spd kün

Hauptversammlung des OV Künzelsau

Jahresbericht des Vorsitzenden Hans-Jürgen Saknus

Liebe Genossinnen und Genossen,

die letzten Wochen und Monate sind nicht gut für unsere Partei im Lande gelaufen. Das Landtagswahlergebnis mit der Halbierung der Stimmen und der Abgeordneten in Stuttgart wirkt grotesk und alptraumhaft. Niemals hätte ich oder jemand unter uns dieses Ergebnis vor einem Jahr erwartet oder geahnt. Zu sicher wähnten wir uns in der in der Regierungsverantwortung in Baden-Württemberg geleisteten Arbeit und deren Erfolge. Die Reformpolitik trug wesentlich rote Züge wenn ich an die Veränderung im Bildungsbereich mit der Neustruktur der Schullandschaft oder in der umfassenden Förderung im Kleinkindbereich und der Kitas denke.

Regelfinanzierung bei der Schulsozialarbeit und die Einführung des Bildungsurlaubes.

Lob hagelte es schon am Anfang von den kommunalen Landesverbänden und gegen Ende der Legislaturperiode auch von den Gewerkschaften.

Im Innen- und Sicherheitsbereich wurde die Polizeireform umgesetzt und neue Schritte in der Integration durch ein eigens geschaffenes Ministerium gewagt, was sich besonders in der Flüchtlingsdramatik als hilfreich erwies.

Reformen in der Pflege und Auflösung des Investitionsstaus bei den Krankenhäusern fallen mir spontan ein, wenn ich an das Sozialministerium denke. Es war rote Politik, die im Ländle umgesetzt wurde.

60 Prozent der Bevölkerung waren mit der grün-roten Politik zufrieden oder sehr zufrieden. Und doch hat es unserer Partei nicht genützt. Alles wurde den Grünen und der Person und Landesvater Kretschmann zugeschrieben.

 

Auch in der Bundespolitik das gleiche Bild: die Abgeordneten und die Partei scheinen zufrieden in der Umsetzung ihrer Ziele, verweisen auf das Erreichte. Und dennoch sinken die Umfragewerte. Gleiche Haltung, gleiches Bild. Mir schwant nichts Gutes im Hinblick auf die Bundestagswahl im September nächsten Jahres! Das Bild von den SPDlern als Maschinisten im Innern eines Schiffes scheint mir plausibel, welche die Arbeit machen und das Schiff nach vorne bringen. Den Applaus erhalten aber die anderen, oben an Deck. So ergeht es der SPD in den Koalitionen und so wird es auch auf Bundesebene laufen.

Schon bei der Europawahl vor 2 Jahren wurde ein europäischer Rechtsruck offensichtlich. In Frankreich erobert Le Pen die kommunale Ebene, in Polen bauen die Erzkonservativen ihren Rechtsstaat um, Rechtsruck in Ungarn und Slowenien. Erst jetzt haben die rechtsradikalen in Holland wieder gejubelt über das Referendum gegen das EU-Ukraine-Abkommen.

Und bei uns in Deutschland bricht sich eine Bewegung zur Rettung des Abendlandes Bahn mit brachialen Erfolgen der sogenannten Alternativen bei den Landtagswahlen. Die sogenannte Alternative ist der Roll-Back zu den Werten der Heimat, ein konservatives Familien- und Geschlechterrollenbild, zum Nationalstaat, zur Eigenverantwortung in neoliberalem Gewand. Gepflegt wird das Bild der korrupten Politikerkaste im Land und in Europa und einer manipulierenden Presse, die weder unabhängig noch aufdeckend arbeitet und berichtet. Der Beruf des Politikers hat weiterhin die schlechtesten Werte. Der Zeitpunkt scheint da zu sein, wo das gezeichnete Negativbild in sichtbare Emotionen umschlägt, Unsicherheit und Ängste trotz wirtschaftlich bester Lage und Friedenszeiten breiten sich Bahn. Es sind Gefühlslagen, die Wählerwanderungen und Denkzettelwahlen befördern. Versuchen wir uns ein Bild von der Großwetterlage zu machen, werden wir feststellen, dass Internationalität und Solidarität momentan nicht gefragt sind in der Wählerschaft Europas.

In dieser Großwetterlage sollen wir als SPD Ortsverein Künzelsau bestehen?

Das ist weder eine leichte noch eine beneidenswerte Aufgabe. Wie können wir Menschen für die sozialdemokratischen Werte wie Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit gewinnen, sie von einer solidarischen Gesellschaft überzeugen? Was sollen wir tun, wenn Politik nicht mehr als argumentative Auseinandersetzung verstanden wird, sondern als manipulierbare Gefühlslage?

Eines hat die LTW gezeigt: auf diesem Nährboden wird die vertrauenswürdige Person wichtiger als das geschriebene Programm. So schlagen Kretschmann auf der einen Seite und der unbescholtene Kandidat der AfD auf der anderen Seite die Parolen und Angebote der Programmpartei SPD.

Die Art und Weise der Umfragen befördern diesen Umgang mit Politik: wer ist der oder die Beliebteste! Es wird nicht gefragt, was gut und richtig ist für das Gemeinwesen.

Wie können wir als Ortsverein bestehen? Und darüber hinaus, wie können wir Aufmerksamkeit erregen und Attraktivität erlangen?

 

  1. Die Pflege der Mitglieder: Hier muss ich feststellen: unsere Mitglieder sind pflegeleicht. Angenehme Ehrungen und Jahresessen, Angebote zu Gesprächskreisen wie die Biergartengespräche oder Themenveranstaltungen zu TTIP. Leider kommen keine weiteren Wünsche und Anregungen aus der Mitgliederschaft. Im Vorstand gehen wir auch sehr pfleglich miteinander um. Die Anzahl der Sitzungen im Vorstand hält sich in Grenzen. Bedanken möchte ich mich bei meinen Vorstandskolleginnen und Kollegen, für alles gute Miteinander. Besondern bedanke ich mich bei Ulla Ziegler, die treu das ganze Jahr über an die Geburtstage der Mitglieder denkt und Karten schreibt und den OV im Kreisverband vertritt.

Danke an Michael Sanwald als weiteren Stellvertreter und an Birgit Muth als korrekte Kassenführerin. Es hat uns nicht am Geld gemangelt. Danke an Martin Probst als Protokollant; es geht nichts über gut strukturierte Protokolle. Danke an alle Beisitzer und ihre wertvolle Mitarbeit.

Einer wird uns verlassen: Ehrenfried Biehal tritt nicht mehr für den Vorstand an, was ich bedaure aber respektieren muss. Vielen Dank für die vielen Jahres engagiertes Mitarbeiten.

  1. Aufmerksamkeit erhalten wir durch den Wahlkampf und in der Unterstützung der Kandidaten. Hier nimmt unser Ortsverein eine wichtige Aufgabe wahr. Auch hier muss ich feststellen: wir haben aktive Mitglieder. Freilich könnten es auch mehr sein. Aber wir werden wahrgenommen als ein aktiver und präsenter Ortsverein.
  2.  In der Arbeit in den kommunalen Gremien wie Stadt- und Kreisrat. Diese regelmäßige kommunalpolitische Arbeit ist sehr wichtig für die Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Zumindest für den Künzelsauer Stadtrat kann ich feststellen, dass die SPD-Fraktion wahrgenommen wird als starke und selbstbewusste Fraktion. Ganz herzlichen Dank an die anwesenden Kreistags- und Stadtratskolleginnen und Kollegen. Besonders möchte ich mich bei Martin Probst bedanken für seine akribische und strukturierte Arbeit als Fraktionsvorsitzender und als stellvertretender Bürgermeister. Er hat sich viel Anerkennung und Respekt in der Bevölkerung durch seine Reden und sein Auftreten erworben.
  3. Besondere Ereignisse: Herausheben möchte ich in diesem Punkt das Engagement von Ralf Ederer: er ist Initiator und Motor der Aktion „Künzelsau für Menschlichkeit“. Ihm war es von Anfang an wichtig, sich gegen die rassistischen Auftritte durch ein deutliches Demonstrieren zu wehren, mit Erfolg! Ansprechpartner und Organisator zu sein, Flugblätter zu drucken und zu verteilen und Menschen zu mobilisieren, das hat Ralf super umgesetzt. Dafür möchte ich mich ganz herzlich bedanken.

 

Wie können wir weiterhin Aufmerksamkeit erhalten?

Durch eine gute Öffentlichkeitsarbeit. Tue Gutes und rede darüber! Was die Möglichkeiten mit unserer Zeitung betrifft, ist das nicht leicht. Die Hohenloher Zeitung vertritt eine Haltung zur parteipolitischen Arbeit, die ich oftmals nicht nachvollziehen kann. Wir müssen froh sein, wenn wir kleine Beiträge platzieren können über unsere Veranstaltungen. Anfragen oder Stellungnahmen finden eigentlich gar nicht statt.

Wir müssen uns Gedanken über weitere Formen der Öffentlichkeitsarbeit machen. Homepage und Facebook-Auftritt stehen und werden von mir eingepflegt. Wir müssen uns Gedanken machen, wie und zu wem wir wie oft kommunizieren möchten. Da spielen auch die Künzelsauer Nachrichten eine wichtige Rolle. Ich setze da auf die Möglichkeit, Fraktionsberichte zu veröffentlichen. Wie wirkt kommunale Politik auf das persönliche Umfeld? Das zu erklären ist schon ein Kraftakt.

Generell gilt: Wir als Vorstand sind offen für innovative Ideen: seien es Wünsche zu Veranstaltungen und Referenten, seien es Aktionen und Angebote.

Man kann mich und jedes Vorstandsmitglied ansprechen und seine Anliegen und Ideen mitteilen. Wir werden versuchen, gute Ideen umzusetzen.

 

Wir sollten aber auch weiter denken, ob wir über Kooperationen zum Beispiel mit OV’s kocherabwärts arbeiten. Erste Versuche waren so schlecht nicht. In diesem Jahr werden wir mit dem OV Ingelfingen gemeinsam eine Ehrungsveranstaltung im Oktober planen und durchführen.

 

Wie können wir junge Menschen erreichen? Wie kann die alte Tante SPD interessant werden für die junge Generation? Wir haben ja Gott sein Dank einzelne junge Mitglieder unter uns. Welche Ideen können sie beisteuern, was ist ihre Meinung? Wo wollen Sie unterwegs sein? Hier gilt es in den nächsten Monaten den Blick zu öffnen.

Dass die SPD international aufgestellt ist, dass Berlin ein interessantes Pflaster ist in Verbindung mit dem Parlament, dass Annette Praktika anbietet für junge Menschen, das sollten wir einbeziehen in unsere Überlegungen, wie junge Menschen zu erreichen sind.

Diskussionskultur versus Gefühlslage, so habe ich zu Beginn einen Spannungsbogen herzustellen versucht. Wir müssen in Zukunft beides bedenken. Erkennbar Positionen beziehen um wahrgenommen zu werden. Darum müssen wir uns bemühen. Wenn die Stimmung nach rechts rückt, ist es vielleicht die Chance, wieder sozial und solidarisch wahrgenommen zu werden. Nützen wir die Chance.

Vielen Dank!

 

Homepage SPD Künzelsau-Ingelfingen

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