Konsequent Familien und Kinder fördern!

Veröffentlicht am 27.07.2012 in Ortsverein

Mit Genugtuung und Freude nahm der Vorstand des SPD Ortsvereins Künzels-au in seiner letzten Sitzung die Beschlüsse des Gemeinderats zur Jugendkonzeption der Stadt Künzelsau zur Kenntnis. Die darin in Aussicht gestellte dauerhafte Förderung bewährter Jugend- und Familienarbeit, z.B. die des Jugendkulturvereins Kokolores oder der Netzwerkarbeit im Stadtteil Taläcker, wird von den Sozialdemokraten befürwortet. Vor allem aber findet der in Aussicht gestellte starke Ausbau der Schulsozialarbeit volle Zustimmung. Eine ganze Stelle soll für die Realschule geschaffen werden, eine halbe Stelle für die Grundschulen und mittelfristig ist auch eine halbe Stelle für das Ganerbengymnasium angedacht. Darüber hinaus soll in den nächsten Jahren eine Stelle für mobile Jugendarbeit geschaffen werden. Seit Jahren fordern Sozialdemokraten verstärkte Arbeit in diesen Bereichen mit kompetentem Personal unter der Zielsetzung, durch frühzeitige Präventionsarbeit Kinder und Jugendliche zu fördern und zu schützen. Nun erscheint Licht am Ende des Tunnels.
Dass der Landkreis seinen Finanzierungsanteil für Schulsozialarbeit in der Kreistagssitzung am vergangenen Montag von 33% auf 25% abgesenkt hat, findet dagegen kein Verständnis. Der Vorsitzende des Ortsvereins Hans-Jürgen Saknus und mit ihm die Vorstandschaft verweisen in aller Deutlichkeit darauf, Schulsozialarbeit sei nach dem Sozialgesetzbuch 8 eindeutig eine Pflichtaufgabe des Kreises als öffentlicher Träger der Jugendhilfe und von daher sei es nicht hinnehmbar, dass er seinen Finanzierungsanteil zu Lasten der Gemeinden zurückfahre. Der Einstieg der neuen Landesregierung in die Förderung der Schulsozialarbeit und damit für mehr Bildungsgerechtigkeit wird durch den Landkreis konterkariert.

Positionspapier der SPD Künzelsau zu den Förderrichtlinien für die Schulsozialarbeit im Landkreis Hohenlohe, wie sie dem Kreistag am 16. Juli 2012 zur Entscheidung vorgelegt werden.
  • Grundlagen
Jugendsozialarbeit an Schulen, gemeinhin auch Schulsozialarbeit genannt, ist gesetzlich verankert im SGB 8 / KJHG §13 und ist eine Maßnahme der Jugendhilfe. Schulsozialarbeit ist eine öffentliche Aufgabe und liegt in der Verantwortung des öffentlichen Trägers der Jugendhilfe. Örtliche Träger sind die Landkreise und kreisfreien Städte. Grundsätzlich ist damit der öffentliche Jugendhilfeträger in der Planungs- und Finanzverantwortung. Gemeinden, Städte wie auch das Land sind zunächst nicht in der Finanzierungspflicht. Wenn sie Schulsozialarbeit fördern, dann im Sinne einer Bezuschussung oder Mitfinanzierung. Dies ist mit den Finanzierungspartnern im Detail abzustimmen (KJHG § 69,6 u. a.). In den vergangen Jahren haben Kommunalpolitiker immer wieder kolportiert, die Schulsozialarbeit gehöre in die Zuständigkeit der Schulen und das Personal und wäre vom Land zu finanzieren. Dazu müsste die Schulsozialarbeit Eingang ins Schulgesetz finden. Diese Versuche sind alle fehlgeschlagen bis hin zu der fast historischen Chance, im Rahmen der neuen Schulform „Gemeinschaftsschule“ Schulsozialarbeit im Konzept und als Bestandteil der Schule zu definieren und damit in die Zuständigkeit des Landes zu geben. Laut Staatssekretär des Kultusministeriums gaben die Landesverbände während der Verhandlungen ihre gesetzliche Zuständigkeit an dieser Stelle nicht ab. Die Schulsozialarbeit hat auch bei der Schulgesetzänderung für die Gemeinschaftsschule keinen Eingang gefunden. Städte, Gemeinden und Landkreis bilden den sogenannten kommunalen Finanztopf. Die Finanzverantwortung und Verteilung innerhalb der kommunalen Partner muss immer wieder neu justiert werden. Gesetzesvorgaben und Aufgaben sind vor Ort so umzusetzen, dass sie für alle leistbar sind. Hier stellt sich die Frage, warum der Hohenlohekreis seinen Anteil an der Schulsozialarbeit zurückfahren will, obwohl er die gesetzliche Aufgabe umzusetzen hat? Läuft es im Hohenlohekreis darauf hinaus, dass der bisherige Status quo, nämlich die finanzielle Hauptlast für die Schulsozialarbeit bei den Städten und Gemeinden zu belassen, zementiert werden soll? Was wäre die Begründung und welche Grundlagen würden sich verschieben? Es ist der billige Versuch, als Landkreis sich aus der Verantwortung des KJHG § 13 heraus zu stehlen und die Schulsozialarbeit in die kommunale Daseinsvorsorge der Gemeinden abzudrücken nach dem Motto: „Wenn die Gemeinden funktionierende Schulen mit Hilfe der Schulsozialarbeit möchten, sollen sie mehr dafür bezahlen.“
  • Historie und Entwicklungen
Mit der Beendigung des Kalten Krieges und der Öffnung des Ostens in den 90zigern und den eintretenden Völkerwanderungen kam es landesweit zu sozialen Verwerfungen und verschiedenen Problemlagen an den Schulen. Dazu gesellten sich eine hohe Jugendarbeitslosigkeit und die auseinander laufende Schere zwischen Schulabgängerzahlen und Ausbildungsplätzen. Hauptschulen wurden auf einmal zu Brennpunktschulen und die Schulpolitik versuchte mit Ganztagesschulangeboten der Situation Herr zu werden. Die Enquetekommission des Landes empfahl Jugendberufshelfer an die beruflichen Schulen und Schulsozialarbeit an die Hauptschulen. Im Jahr 2000 ging die Stadt Öhringen mit einem Konzept für Jugendsozialarbeit an Schulen auf den Landkreis zu mit Bitte um Finanzierung. Die Hauptschule wurde u. a. Ganztagesschule und benötigte für ihren Betrieb die Unterstützung durch Jugendsozialarbeit. Das war de facto der Einstieg im Hohenlohekreis in die Schulsozialarbeit. Das Land stand ebenso bereit mit einem Förderprogramm, um in eine zweijährige Anschubfinanzierung einzusteigen (damals 30.000 DM pro Vollzeitstelle). Hier fand die Drittelfinanzierung ihren Ursprung, denn auch der Landkreis beschloss am 17.07.2000 die Finanzierung der Jugendsozialarbeit an Schulen. Laut den Förderrichtlinien wurde bestimmt: „Der Hohenlohekreis ist bereit, von den anerkannten Personalkosten bis zu einem Drittel, maximal jedoch bis 50% des kommunalen Anteils zu übernehmen.“ Dieses gemeinsam ausgleichende Tragen der kommunalen Kosten wurde auch dort weitergeführt, als das Land dann endgültig 2005 seine Anschubfinanzierung beendete. Zunächst konnten europäische Sozialfondmittel die Lücke schließen, allerdings mit Schwerpunktsetzungen in der Jugendsozialarbeit. Wieder teilten sich die kommunalen Partner die Restkosten für das Personal. Sachkosten gingen in der Regel über Städte und Gemeinden. Aber auch das ESF-Programm war auf 3 Jahre begrenzt. Zudem hat sich die Jugendsozialarbeit an den Schulen weiterentwickelt und war nicht mehr allein im Übergang Schule-Beruf tätig. Im Jahr 2008 mussten sich Kommunen entscheiden, wie es mit der Schulsozialarbeit weiterging. ESF Gelder waren aufgrund neuer Richtlinien für die Schulsozialarbeit blockiert und konnten nur noch im Randbereich der Schulen eingesetzt werden. Laut einer Erhebung des KVJS im November 2007 haben landesweit nur noch 2 Städte mit ESF-Mittel in Schulen gearbeitet. Der Landkreis dagegen hielt mit dem Projekt Rückenwind am ESF fest mit allen Konsequenzen für die Fachkräfte. Der Landkreis hat am 03.11.2008 nochmals seine Drittelfinanzierung bestätigt, um zum einen politisch eine finanzielle Mithaftung des Landes weiter einzufordern. De facto hat er aber die Hauptlast der Personalfinanzierung auf die Städte und Gemeinden abgeschoben. Hätten die Kommunen ihren Finanzierungsanteil nicht aufgestockt, wäre die Arbeit an den Schulen beendet worden. Es war ein schwarzes Peterspiel in Richtung Land und Kommunen. Andere Landkreise verhalten sich partnerschaftlicher. Im Landkreis Reutlingen teilten sich in allen Phasen die kommunalen Partner hälftig die Kosten. Der Landkreis Ludwigsburg finanziert seinen Anteil mit ca. 40% anteilig über Mittel aus dem Bildungs- und Teilhabepaket (BuT).
  • Aktuelle Situation
Durch den Regierungswechsel 2011 im Land haben sich Prioritäten in der Landespolitik verschoben. Die grün-rote Landesregierung hat auf die gewachsenen Aufgaben der Kommunen in der Betreuung und in der Jugendsozialarbeit reagiert. Zudem verändert sie die Schullandschaft. Durch den Pakt für Familien und Kinder zwischen der Landesregierung und den kommunalen Spitzenverbänden kommt es zu einer deutlichen finanziellen Entlastung der kommunalen Haushalte. Die Zuweisungen des Landes nach § 29 c FAG werden - im Jahr 2012 von 129 Mio. € um 315 Mio. € auf 444 Mio. € - im Jahr 2013 von 152 Mio. € um 325 Mio. € auf 477 Mio. € erhöht. Das Land beteiligt sich ab dem Jahr 2012 zu einem Drittel an den Kosten der Schulsozialarbeit bis zu einem Betrag von 15 Mio. € jährlich. Plötzlich ist die politisch jahrelang geforderte Drittelfinanzierung Wirklichkeit. Gegenfinanziert wird der Pakt durch die Erhöhung der Grunderwerbsteuer. Eigentlich sollt man meinen, dass die bisherige Praxis des gemeinsamen Ausgleichs zwischen Landkreistag, Städte- und Gemeindetag im Pakt für Familien und Kinder impliziert ist. Aber da ist nicht mal die Tinte unter dem Pakt für Familien und Kinder trocken, schon werden die Zuständigkeiten und Finanzierungsbeteiligten wie auf dem Basar verschachert und mit Umlageerhöhungen gedroht. Es ist nicht zu verstehen, dass der Hohenlohekreis einen Finanzierungsrückzug auf 25% Personalkostenanteil für die Schulsozialarbeit nach Eintritt der Drittelfinanzierung präsentiert. Warum will die Landkreisspitze seine Bürgermeister de facto wieder stärker belasten? Es ist zu hoffen, dass die Bürgermeister diesem Ansinnen Widerstand leisten und die Finanzierungsanteile wieder zurechtrücken. Ein Fragezeichen stellt sich auch im Bezug auf die Förderung der Landkreise durch das Bildungs- und Teilhabepaket des Bundes. Hier stehen für Baden-Württemberg ca. 9 Millionen für die Schulsozialarbeit rein rechnerisch zur Verfügung. Warum wird das nicht in der Finanzierung berücksichtigt?
  • Fachliche Bewertung
In den neuen Förderrichtlinien des Landkreises sollen Grundschulen maximal mit 0,5 Stellen und weiterführende Schulen mit maximal 1,0 Stellen gefördert werden. Das ist insofern neu, da es diesen Deckel formal zuvor nicht gab und es auch den landesweit gültigen Förderrichtlinien des KVJS nicht entspricht. Die übergeordnete Behörde hat ihrerseits fachlichen Mindeststandards definiert, in denen an Schulen mindestens eine halbe Stelle gefordert wird. Außerdem ist eine Quotierung der Stellen nicht nach Schuleinheiten vorzunehmen, sondern anhand der Schülerzahlen. Der KVJS verweist in seinem Fachblatt „Schulsozialarbeit in Baden-Württemberg“ vom März 2010: „Der bundesweite Kooperationsverbund Schulsozialarbeit empfiehlt als Erfahrungswert aus regionaler Praxis und Fortbildungen für 150 Schüler/-innen eine/n Schulsozialarbeiter/in vorzusehen. Aus den Ergebnissen der Begleitforschung zur ehemaligen Landesförderung erfolgt eine Orientierungsgröße für Hauptschulen von einer Fachkraft auf ca. 200 Schüler/-innen. Stärkere Abweichungen von dieser Orientierungsgröße nach unten erfordern deutliche Schwerpunktsetzungen im Arbeitsauftrag und haben Einschränkungen bei den Kernleistungen der Schulsozialarbeit und im Erreichungsgrad zur Folge, bzw. erfordern ggf. ergänzende Angebote und Leistungen Dritter.“ Die Fachleute des Hohenlohekreises dagegen sehen an Grundschulen hier schon die Obergrenze bei 0,5 Stellen erreicht. Für weiterführende Schulen wird die Schulsozialarbeit mit 1 Stelle pro Schule gedeckelt. Das entspricht nicht einer fachlich und inhaltlich begründeten Vorgehensweise und liegt konträr zu den Empfehlungen und Vorgaben der übergeordneten Behörde. Wo das Landesjugendamt fachliches Arbeiten und die Rahmen- und Arbeitsbedingungen strukturieren möchte am Bedarf der am Schulleben Beteiligten, strukturiert offensichtlich der Landkreis seine Bedingungen nach dem Geld. Die Förderrichtlinien sind fachlich nicht begründet und enden in einem Alibipapier des Landkreises.
  • Fakten und Fragen
Nach den Erfahrungen in den letzten Jahren z.B. in der Stadt Öhringen kann der Bedarf einer Hauptschule bis zu 400 Schüler kaum mit einer Stelle gedeckt werden. Die Arbeit ist nur mit Schwerpunktsetzungen zu erfüllen. Maßnahmen wie z.B. ein Trainingsraum konnten nicht kontinuierlich durchgeführt werden. Verschiedene Themen wie Gewaltprävention blieben auf der Strecke. Nur durch große gemeinsame Anstrengungen von Schule, freier Träger und kommunaler Jugendarbeit konnte der Bereich der Kooperationspartnerschaften mit Betrieben zufrieden stellend aufgebaut werden. Wenn schon eine Schule mit einer Stelle die Aufgaben kaum stemmen kann, was ist dann mit der zukünftigen Entwicklung hin zu einer Verbund- oder Gemeinschaftsschule? Für eine Schule können sich dann Schülerzahlen verdoppeln und verdreifachen. Schüler bleiben länger an einer Gemeinschaftsschule, sowohl täglich wie auch auf Schuljahre gerechnet. Alles kein Thema der Jugendhilfe? Hat es politisch-ideologische Gründe, indem man die Schulreformen in Richtung Ganztagesschule und Gemeinschaftsschulen nicht unterstützen will? Will der Landkreis sich gar die Konkurrenz für seine Landkreisschulen vom Leib halten? Hat es machtpolitische Gründe, wenn der Landrat des Hohenlohekreises zugleich als Landkreistagspräsident mit Sparmaßnahmen und Verschiebungen punkten will? Sollen die reduzierte Finanzierungsbeteiligung und Deckelungen im Hohenlohekreis festgeklopft werden, um als Empfehlungen dann landesweit die Runde zu machen? Fakt ist, dass der Landkreis als öffentlicher Jugendhilfeträger in der Hauptverantwortung der Finanzierung von Schulsozialarbeit steht. Hier sind alle Versuche abzublocken, eine Verschiebung der Finanzierung zu den Kommunen in Sinne der Daseinsvorsorge vorzunehmen zu wollen. Die Kommunen werden verstärkt Aufgaben im Umbau zum Ganztagesbetrieb bei Betreuung und Essensangeboten aufnehmen müssen. Hier sind sie schon jetzt und in den nächsten Jahren gefordert. Fakt ist, das die kommunalen Haushalte (auch der Landkreis) deutlich durch den Pakt des Landes für Familien und Kinder wie auch durch das Bildungs- und Teilhabepaket des Bundes entlastet wurden, speziell in der Schulsozialarbeit. Es ist unredlich, das der Landkreis auf Kosten seiner kommunalen Partner die Finanzierung ungleichmäßig verteilen möchte. Wenn jahrelang zum einen mit Beschlüssen die Drittelfinanzierung dokumentiert und vollzogen wird, zum andern jahrelang politisch Mitfinanzierung eingefordert wird, ist es unredlich und verwerflich, sich im Nachhinein davon zu distanzieren. Da ist nicht einmal die Tinte unter dem Vertrag trocken, lösen sich Worte und Vereinbarungen in Luft auf. Fakt ist, dass die Verschiebung der Finanzierungsanteile vor allem Familien und Kinder in finanziell schwächeren Kommunen trifft. „Mit dem differenzierten Instrumentarium der Schulsozialarbeit, die auch Eltern erreicht, und einbindet, können soziale Benachteiligungen ausgeglichen und individuelle Problemlagen besser bewältigt werden.“, so Sozialministerin Altpeter. Familien in finanzklammen Kommunen trifft es doppelt, da Unterstützung im Sinne von Bildungsgerechtigkeit nicht geleistet werden kann. Der Landkreis spart auf dem Rücken der Eltern und Kinder. Fakt ist, dass der Landkreis seinem Auftrag zum Ausgleich zwischen den Kommunen nicht nachkommt. Unterstützungssysteme für eine gute Schule vor Ort hängen dann am Aufkommen von Gewerbesteuer und anderen kommunalen Einnahmen. Das ist weder im Sinne des Gesetzes noch im Sinne kommunaler Partnerschaft. SPD Künzelsau Hans-Jürgen Saknus
 

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